Der Brief von Cousin Gato Blanco aus Sevilla lag schon länger auf dem Küchentisch. Herr Lagerfell nahm ihn immer wieder zur Hand, las ihn und blickte auf unser Außenthermometer. In der kältesten Januarwoche war es soweit – er packte seinen Koffer, buchte uns zwei Flugtickets und rief: “Auf auf, los spurten Sie sich, wir werden jetzt den Hamburger Winter entfliehen und werden in drei Stunden im spanischen Frühling erwartet.”
Reisen Sie mit uns heute in den spanischen Frühling – quasi den Hamburger Sommer. Bei fast 20 Grad Tagestemperatur genießen wir die wunderschönen Dachterrassen von Sevilla und schlemmen uns durch alle Arten vorhandener Tapas.


Essen hat in Sevilla ein enorm hohen Stellenwert. Das Frühstück beginnt noch etwas zaghaft aber nicht minder schmackhaft. Oft wird “Pan con tomate” – geröstetes Brot mit Tomatenpulpe – gereicht, dazu frische, kleine Mini-Avocados oder Manchego. Frischgepresster Orangensaft ist in der Stadt der Zitrusfrüchte obligatorisch.


Mittags füllen sich die Lokale mit Gruppen von Freunden und Arbeitskollegen für das Menu del Dia..das Mittagsmenü, meist unter 10.- zu haben. 3 Gänge mit einfachem Tischwein und Wasser. Zeit kann man sich lassen – die Siesta ist heilig und nachmittags die Straßen ausgestorben. Erst am späten Nachmittag füllen sich wieder die Gassen, die Läden öffnen ihre Türen und die Großstadt beginnt wieder zu pulsieren.
Ab frühestens 20:00 stürmen Freunde und Familie die Tapaslokale, die es an jeder Ecke gibt, um sich mit kleinen Häppchen und den ersten alkoholischen Getränken auf eine ausgedehnte Tapas Tour oder auf ein opulentes Abendessen vorzubereiten. Wem die Tapasportionen zu klein sind, kann auch media racion (halbe Portion) oder racion (ganze Portion) bestellen.


Wir wohnen in einem alten Stadtpalast, maurisch inspiriert mit wunderschönen Innnenhof und üppig begrünt. Die Terrasse lässt sogar im Januar ein ausgedehntes Frühstück in der Sonne zu. T-Shirt Wetter im kältesten Monat des Jahres – es gibt wahrhaft schlimmeres. Oft starten wir ohne Frühstück in den Tag um entweder mittags mehr Tapas zu uns nehmen zu können – oder uns im Cafe Piola am Plaza Hercules zu stärken. Hier findet jeder seinen Platz in der Sonne, Bob Dylan singt aus dem Kofferradio am Nebentisch, das Brot ist frisch und knusprig. Die Avocados und Orangen hatten keine langen Anfahrtswege und die grünen Papageien in den Bäumen lassen sich hier besonders gut beobachten.
Wir lassen uns einfach durch die Stadt treiben – ein Stadtplan ist genauso wenig nötig wie ein Reiseführer. In Sevilla ist alles fussläufig erreichbar und irgendwann trifft man bestimmt auf die Must-see Dinge, wie den Plaza de Espana, die Kathedrale oder Alcazar.



Wir lassen es gemütlich angehen und machen immer wieder Pausen, zum Beispiel am Plaza de la Contratacion vor der kleinen Cervezeria – essen Riso nero und Bacalao – pro Portion 2,50.-. Ein Traum – wir sollten immer weiter essen. Das kleine Bier hat genau die richtige Größe um noch ein zweites zu bestellen und das Treiben auf dem Platz zu beobachten. Sevilla im Januar! Ich bin bereits nach wenigen Stunden begeistert.



Am ersten Abend verschlägt es uns zu Sacamuelas, der Inhaber und Koch aus Frankreich ist erstaunt wieviele Tapas unsere kleine Gruppe vertilgen kann – und wir bestellen immer wieder nach: Der Fisch im knusprigen Sepia-Mantel ist ein Traum, die Salmorejo cordobés -eine dickflüssige kalte Suppe ähnlich der Gazpacho – eine Offenbarung.
Wir spazieren nach dem Essen durch die engen Alstadtgassen Richtung Unterkunft und bleiben wie versteinert vor einem Hauseingang stehen. Fragen uns was dies zu bedeuten hat. Ob so spät nachts noch eine Kirche ihren Gottesdienst feiert oder ob sich die Hausgemeinschaft einen Altar in ihren Flur gestellt haben. Wir wagen uns langsam vor, betreten das Tor und blicken in das Innere des Gebäudes und trauen unseren Augen nicht: Wir befinden uns in der absurdesten Bar in der wir jemals waren. El Garlochi ist eine Institution in Sevilla. Miguel der Inhaber der Bar, der seit 36 Jahren alleine hinter dem Tresen steht, hat eine große Passion für Kitsch. Hier stehen Heiligenstatuen auf einer Bar mit Spitzendeckchen. Von einer Ecke lächelt ein überdimensioniertes Ölgemälde von der Herzogin von Alba auf einem herab. Wir stehen ungläubig in dieser Bar und bestellen Gin Tonic – Gläser so groß wie Kinderköpfe. Das Kultgetränk von Garlochi ist jedoch “The blood of Christ”. Ein rotes Getränk bestehend aus Whiskey und Granatapfelsirup.



Am nächsten Abend haben wir einen Tisch im Sal Gorda bestellt, einer innovativen Tapas-Bar , im Herzen der Altstadt. Der Kellner, hat einige Monate in Hamburg gewohnt und versucht uns die spanische Karte näher zu bringen. Man merkt, dass die Jungs Spass an ungewöhnlichen Kreationen haben und servieren uns Tortilla reloaded – eine Art flüssige Tortilla serviert in einer Eierschale. Das Signatur Dish des Lokals ist aber das cono de ortiguilla – ein kleines Stanizel mit Espuma von der Wachsrose – eine Seeanemone, die in Sevilla gerne frittiert als Tapas verzehrt wird.


Den letzten Tag bestreiten wir ohne Frühstück, da wir um Punkt 12:00 vor dem Tapasladen Eslava stehen und einen der begehrten Plätze ergattern. Innerhalb weniger Minuten füllt sich das Lokal bis auf den letzten Platz. Am Tresen gibt es kein Durchkommen mehr und die Kellner haben alle Hände voll zu tun. Am Tresen wird der Fang des Tages ausgestellt. Heute sind es Razor Muscheln, die dort auf Eis liegen. Die Tapas Qualität ist außergewöhnlich. Das “langsam gekochte Ei auf Steinpilztörtchen und Rotweinreduktion” sowie die “Zigarre aus Blätterteig, gefüllt mit Algen und Sepia” haben bereits Preise gewonnen und das zu Recht.


Wir hätten wirklich gerne verlängert – vielleicht so bis Juni- bis das Wetter in Hamburg wieder etwas besser wird. Sonne und Tapas im Januar – daran kann man sich gewöhnen.



Hinkommen:
zum Beispiel mit Ryanair in 3,5 Stunden (wenn kein Umweg wie bei uns geflogen wird) von Hamburg aus.
In die Stadt nimmt man dann am besten ein Taxi oder den Flughafenbus EA, der jedoch relativ lange dauert und immer sehr voll ist.
Frühstücken lässt es sich sehr gut in folgenden Lokalen:
Café Hercules – Calle Perris Mencheta 15
Piola – Alameda de Hercules 57
La Sin Miedo – Avenida de la Cruz Roja 62
Otto – Plaza Monte Sion 8
Un Gato en Bicicleta – Calle Perris Galgos 22 Sala
El Cachorro – Calle Procurador 19
weitere gute Tapas Läden:
La Bartola – hier gibt es auch einige Veggie Tapas
Bodega Santa Cruz Las Columnas – typische kleine Tapasbar, mit klebrigen Boden und die viel Spass bringt.
LA BRUNILDA TAPAS – innovative Tapas, keine Reservierung möglich.
Torres y Garcia – hier gibt es nicht nur Tapas, sondern auch Pizza aus dem Holzofen und andere größere Gerichte. Sehr schöne Inneneinrichtung, die Kellner sind etwas gestresst.
UND SONST SO?
Unbedingt Churros probieren, zum Beispiel bei LOS ESPECIALAS Hier werden Sie frisch für jeden Gast gemacht und lassen sich mit Blick auf die Puente di Isabell genießen.


Sich durch das Kuchenangebot der Confiteria la Campana probieren, besonders verheißungsvoll: die Pudding gefüllten Hörnchen.


Entfliehen Sie auch manchmal den Winter? Und wenn ja – wohin geht es?

Orangen