„O sole Mio…“ miaute Herr Lagerfell leise in mein Ohr und schob den Brief seines Grossonkels Gatto Nero Giuseppe aus Venezia über den Küchentisch.
„Mio amico Signorino Lagerfell,
die Nebelschwaden ziehen in die Stadt und damit beginnt die Zeit des Aqua Alta. Ein Graus für einen alten Kater wie mich. Sie wissen doch, das Rheuma! Ich werde für einige Monate nach Sizilien gehen und wollte Sie bitten hier nach dem Rechten zu gucken. Ich schicke Ihnen einen Gondoliere zum Übersetzen. Melden Sie sich sobald es Ihnen möglich ist. Ihr Giuseppe.“
Nun, dass Herr Lagerfell dafür bekannt ist, seine Urlaube mit Vorliebe in der absoluten Off- Season zu begehen ist ja allerseits bekannt, aber Venedig im Winter?
Ist es da nicht nass, kalt und grau? Ja ist es, und genau das macht den Charme dieser Stadt aus, da zu dem nass, kalt und grau auch ein Minimum an Touristen und Mücken hinzukommt.



Besonders gut eignet sich die Zeit vor Weihnachten, aber auch von Oktober bis April ist es sehr angenehm in Venedig. Die Lagunenstadt wird von allen größeren Fluglinien angeflogen, von Hamburg z.B. mit Easyjet ab etwa 50.- Euro.
Wenn man in Venedig am Flughafen angekommen ist, bietet es sich an mit dem Vaporetto der Alilaguna Linie in die Stadt zu fahren (15.- Euro). Es gibt auch Busverbindungen die etwas günstiger sind, aber die Bootsfahrt stimmt bereits gut auf das Leben in der Lagune ein.
Wir sind mit der Linea Blu bis F.Te Nove gefahren da wir im Stadtteil Cannergio gewohnt haben.



Cannergio befindet sich im Nordwesten von Venedig, indem vor allem die alteingesessenen Venezianer wohnen. Auch gibt es hier die günstigsten und besten Restaurants, die auch von Einheimischen besucht werden. Ein sehr schönes Guest House ist das 3749 Ponte Chiodo welches neben der einzigen noch vorhanden Brücke in Venedig ohne Geländer sich befindet. Die Zimmer sind zwar relativ klein, aber sehr gemütlich, teilweise mit Blick auf den Kanal und morgens macht ein Barista ganz wunderbare und kreative Cappuccinos zum Frühstück. Während man sich dem Genuss, des doch recht üppigen italienischen Frühstücks hingibt und dabei Mozart lauscht, gibt Mateo der Besitzer des Guest House seine besten Tipps für den Tag preis.
Eine schöne Tour für den ersten Tag könnte folgende sein:
Vom Guest House geht man ca 5 Minuten zum Gondoliere Anleger bei Ca’d’oro und setzt für 2 Euro mit einer original Gondel zum Rialto Markt über. Montag bis Samstag findet hier der Obst, Gemüse und Fischmarkt statt. Da so viel tolle Lebensmittel hungrig machen, bietet es sich an ein erstes Ombra und cicchetti des Tages zu sich zu nehmen z.B im Al Merca (campo Bella Vienna, 213, 30125 Venezia), wo es den besten Spritz mit Select und Brötchen mit Trüffelcreme gibt.
„Umbra“ bedeutet wörtlich übersetzt Schatten und geht auf die Zeiten zurück als die Weinhändler gläserweise Ihren Wein im Schatten des Campanile am Marktplatz anboten um diesen vor der grossen Hitze zu schützen. Ein Ombra könnte man am besten mit einem „Stehachterl“ in Wien vergleichen – also einem kleinen Glas Wein im Stehen. Cicchetti wären das venezianische Äquivalent zu Tapas. Beides ist sehr günstig zu haben und am ersten Tag in Venedig (aber auch an den darauffolgenden) bietet sich eine Weinbar-Tour durch Venedig an. Empfehlenswert ist auch das Buch „Weinbars in Venedig“
Gut gestärkt geht es über die Rialtobrücke zum „Fondaco dei Tedeschi“, ein Einkaufs und Ausstellungszentrum direkt am Canale Grande. Was kaum einer weiss: hier kann man für umsonst auf die Dachterrasse und die Aussicht auf Venedig geniessen. Aber aufgepasst: im Erdgeschoss muss man sich zuerst eine Nummer mit Uhrzeit holen, da nur eine bestimmte Anzahl an Menschen gleichzeitig auf die Terrasse dürfen.
Wenn man nun einen ersten Überblick über Venedig hat, geht es weiter um weitere Ombre zu probieren, zum Beispiel gleich ums Eck im Bacarando in Corte dell’Oriso (S. Marco, 5495, 30124 Venezia) oder im „I Rusteghi“ mit grandioser Weinauswahl und einem idyllischen Hinterhof (Corte del Tentor).
Beschwingt durch Ombre und Cicchetti lässt sich nun auch das Touristenprogramm in San Marco ertragen und so spaziert man am Besten entspannt Richtung Markusplatz.
Falls man den Palazzo Ducale Venezia besichtigen möchte, sollte man die gängige Tour aussen vor lassen und es stattdessen mit der Führung „Geheime Routen“ probieren, bei der man nicht nur die geheime Dogenkanzlei sondern auch den Kerker von Giacomo Casanova besichtigen kann.
So, wahrscheinlich ist jetzt schon bald Essenszeit und nachdem man den ganzen Tag auf den Beinen und auch mit mehreren Ombre unterwegs war, empfiehlt sich ein typisch venezianisches Restaurant, das Ca’d’oro alla Vedova (Cannareggio, 3912, 30121 Venezia) in der Nähe der Unterkunft an. Unbedingt reservieren!
Ein letzter Absacker kann man danach noch im Vino Vero (Fondamenta Misericordia, 2497, 30100 Venezia) oder nebenan im Paradiso Perduto zu sich nehmen.
Wenn am nächsten Tag sich die Ombre bemerkbar machen, bietet sich nach dem Frühstück ein Ausflug zur pittoresken Insel Burano an. 40 Min Überfahrt mit frischer Seeluft und grandiosen Blick auf Venedig machen schnell wieder frisch und ein Spaziergang durch das bunte Dorf, lassen alle restlichen grauen Schleier des Vorabends verschwinden.
Zurück nach Venedig, am Besten in das Vaporetta 1 einsteigen und entweder entspannt den Canale Grande entlangschippern oder bei der Station Academica aussteigen um den Gondelbauern am Rio San Trovaso bei der Arbeit zuzusehen. Besonders angenehm lässt es sich von der Cantina del Vino già Schiavi auf die Werft gucken.



Abends geht es entweder rustikal zu Pizza ins Trattoria Mia (Sestiere Cannaregio, 30121 Venezia) oder ins Cantina do Spade mit typisch venezianischer Küche.
Viel Spass in Venedig im Winter. Wärmt euch an ein paar Ombre und heissen Maronen die es an jeder Ecke gibt und erzählt mir von euren besten Venedig-Tipps.
Buon viaggio!